Innenentwicklungsmodell Wendlingen am Neckar (IEMW)

Der Gemeinderat hat in öffentlicher Sitzung am 18. Dezember 2018 folgende Richtlinien zum Innenentwicklungsmodell Wendlingen am Neckar (IEMW) beschlosssen.

1)  Geltungs- und Anwendungsbereich

Dieses Modell gilt stadtweit, nicht jedoch für sog. Außenentwicklungen (Aus-weisung von Neubauflächen), es gilt insbesondere für die Umwandlung von Gewerbeflächen und für sonstige Flächen, welche dem Wohnungsbau zugeführt werden. Sollte bei Außenentwicklungen die Durchführung eines Baulandumlegungsverfahrens nicht erforderlich sein, gelten ebenfalls die nachfolgenden Bestimmungen.

In gleicher Weise gelten die nachstehenden Bedingungen, wenn die Stadt Grundstücke an Dritte veräußert oder selbst bebaut, wenn und soweit Planungsrecht zugunsten einer höherwertigen (Wohn-)Nutzung geschaffen bzw. verändert wird.

Aufbauend auf die Notwendigkeit i.S. Aktivierung/Förderung des Mietwohnungsbaus kommt dieses Modell dann zur Anwendung, wenn und soweit neues Planungsrecht zugunsten einer höherwertigen (Wohn-) Nutzung - Allgemeines Wohngebiet/Reines Wohngebiet/ Besonderes Wohngebiet/Dorfgebiet/Mischgebiet/ Kerngebiet/urbanes Gebiet - geschaffen wird und dem Planungsbegünstigten dabei nach Anrechnung der Lasten gem. Ziffer 4 mindestens 1/3-tel der Grundstückswertsteigerung verbleibt. Es gilt nicht für Gewerbe- und Industrienutzung.

Sofern die vorzunehmende Kalkulation die vorgenannte (Mindest-) Wertsteigerung ergibt, gelten diese Regelbestimmungen. Sofern es sich nicht realisieren lässt, dass eine Bodenwertsteigerung - unter Anrechnung der zuzuordnenden Lasten (s. Ziffer 4) - von mindestens einem Dritten verbleibt, gelten entsprechend modifizierte Konditionen, über welche der Gemeinderat im Einzelfall Beschluss zu fassen hat.

Rechtfertigen im Einzelfall die Gesamtumstände die Annahme, dass trotz des Verbleibs von mindestens einem Drittel des planungsbedingten Wertzuwachses die wirtschaftliche Gesamtbelastung des Planungsbegünstigten unangemessen ist, ist dies beim Umfang der geforderten Lastenübernahme zu berücksichtigen.

Dem Planungsbegünstigen obliegt es, seine wirtschaftliche Gesamtbelastung dazulegen und ggfls. nachzuweisen. In diesem Fall können die Leistungen angemessen gemindert werden, was der Zustimmung des Gemeinderates bedarf.

Bereits im Beschluss des Gemeinderates zur Aufstellung bzw. Änderung eines Bebauungsplanes ist im Hinblick auf den positiven Zulassungstatbestand des § 33 BauGB (sog. „Planreife“) festzustellen, dass der Abschluss eines städte-baulichen Vertrages zur Umsetzung der Bedingungen des IEMW Voraussetzung für den Satzungsbeschluss ist.

Sämtliche Verfahrensschritte werden durch die eingerichtete Baulandkommission mit dem Planungsbegünstigten abgestimmt. Sie besteht aus den Mitgliedern des gemeindlichen Gutachterausschusses, dem Bürgermeister und dem Stadtbaumeister. Die Baulandkommission schlägt den gemeindlichen Gremien Konditionen zur Entscheidung vor.

2)  IEMW-Konditionen

Der Planungsbegünstigte ist dazu verpflichtet, 15 % der planungsrechtlich neu geschaffenen Bruttogeschossfläche Wohnen dem mietpreislimitierten Mietwohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Diese Regelungen gelten ab einer Größe von 450 qm bauplanungsrechtlich neu geschaffener Bruttogeschossfläche, wobei die Teilung von Grundstücken nicht zu einer Mehrfachanwendung der vorgenannten Bagatellgrenze führt.

Bruttogeschossfläche i.S. dieser IEMW-Bestimmungen sind die in § 20 Abs. 3 BauNVO genannten Flächen zzgl. der Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschl. der zu ihnen gehörenden Treppenräume und Umfassungswände.

In Kerngebieten (MK) nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) sind 3 % der Bruttogeschossfläche, welche nach neuem Planungsrecht insgesamt möglich ist, basierend auf einem für MK-Gebiete unterstellten Wohnanteil von 20 %, zugunsten des mietpreislimitierten  Mietwohnungsbaus zu verwenden, mindestens jedoch 15 % der tatsächlich neu geschaffenen Bruttogeschossfläche im Wohnungsbau. Im Falle  bauplanungsrechtlicher Beschränkungen auf unter 20 % Wohnanteil reduziert sich die vorgenannte 3 %-Quote im selben Verhältnis.

In Mischgebieten (MI) nach der BauNVO beträgt der Anteil am mietpreislimitieren Mietwohnungsbau  9 % der planungsrechtlich insgesamt neu geschaffenen Bruttogeschossfläche, basierend auf einem für MI-Gebiete unterstellten Wohnanteil von 60 %, mindestens jedoch  15 % der tatsächlich neu geschaffenen Bruttogeschoss-fläche im Wohnungsbau.

In einem „urbanen Gebiet“ i.S.v. § 6 a BauNVO sind, basierend auf  einem hier möglichen 70 %-igen Wohnanteil, 10,5 % der planungsrechtlich insgesamt neu geschaffenen Bruttogeschossfläche dem mietpreislimitierten Mietwohnungsbau zuzuführen, mindestens je-doch 15 % der tatsächlich neu geschaffenen Bruttogeschossfläche im Wohnungsbau.

Ist in einem „urbanen Gebiet“ aufgrund bauplanungsrechtlicher Beschränkungen ein Wohnanteil von weniger als 70 % zulässig, reduziert sich die vorgenannte 10,5 %-Quote im selben Verhältnis, der Anteil am mietpreislimitierten Mietwohnungsbau beträgt jedoch mindestens 15 % der bauplanungsrechtlich neu geschaffenen Bruttogeschossfläche im Wohnungsbau.

Eine Ablösung dieser Verpflichtung ist nicht möglich.

Alle Wohnungen sind gem. den folgenden Richtwerten zu planen und zu erstellen:

Anzahl der Wohnräume             Wohnfläche (qm)

bis zu 2                                        bis zu 45 qm

mindestens 2
höchstens 3                                 bis zu 60 qm

mindestens 3
höchstens 4                                 bis zu 75 qm

mindestens 4
höchstens 5                                 bis zu 90 qm

Bei weiterer Erhöhung der Wohnungsgrößen um jeweils bis zu 15 qm erhöht sich die Zahl der Wohnräume um jeweils einen. Die Wohnfläche von Wohnungen darf 30 qm nicht unterschreiten. Wenn die Wohnung barrierefrei (nach DIN 18040-2) gebaut wird, darf sie bei gleichbleibender Raumzahl um bis zu 15 qm größer sein. Die vorgenannten Wohnflächengrenzen können generell um bis zu 5 % über-schritten werden.

Für den Fall, dass für die Gewährung von Fördermitteln (für Mietwohnungsbau) durch das Land andere Vorgaben i.S. Wohnungsgrößen gelten, sind diese im Einzelfall maßgebend, unabhängig davon ob diese Mittel tatsächlich in Anspruch genommen werden.  

Der Investor hat die Planung und das Wohnungsgemenge vorab mit der Stadt Wendlingen am Neckar abzustimmen und zudem eine Baukosten- und Wirtschaftlichkeitsberechnung vorzulegen.

Der Planungsbegünstigte bzw. Investor soll öffentliche Fördermittel in Anspruch nehmen.

Mietpreisbindung: Kaltmiete während der Bindungsdauer von 25 Jahren um mindestens 33 % je qm und Monat unter der ortsüblichen Vergleichsmiete für frei finanzierten Wohnraum. Die Kaltmiete darf während der vorgenannten Bindungsdauer nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen und etwaiger förderrechtlicher Vorgaben bzw. Beschränkungen erhöht werden, dies jedoch mit der Maßgabe, dass die Kaltmiete während der Bindungsdauer um mindestens 33 % unter der jeweiligen ortsüblichen Vergleichsmiete liegen muss.

Die ortsübliche Vergleichsmiete wird zwischen dem Planungsbegünstigten und der Stadt abgestimmt.

Die Differenz zur ortsüblichen Vergleichsmiete ist vom Planungsbegünstigten zu tragen und wird unter Berücksichtigung einer etwaigen Landesförderung o.ä. als Last angerechnet.

Die Wohnungen dürfen nur an Personen vergeben werden, die durch einen in Baden-Württemberg ausgestellten Wohnberechtigungsschein (§ 15 Landeswohnraumförderungsgesetz) die Einhaltung der maßgeblichen Einkommensgrenzen und der für sie angemessenen Wohnungsgröße nachweisen (dingliche Sicherung mittels Bestellung entsprechender beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten und Vertragsstrafen bei Zuwiderhandlungen).

Die Stadt kann dem Vorhabenträger pro von ihm herzustellender (preislimitierter) Wohnung bis zu zehn Mietvorschläge machen. Aus diesen Vorschlägen hat der Bauherr einen künftigen Mieter auszuwählen (dingliche Sicherung dieser Verpflichtungen mittels Bestellung einer entsprechenden beschränkten persönlichen Dienst-barkeit).

Vorstehende Verpflichtungen sind vom Planungsbegünstigten zu erfüllen, welcher diese einschl. die damit verbundenen Verpflichtungen und Bindungen mit vorheriger Genehmigung der Stadt auch auf einen Investor übertragen kann.

3)  Ermittlung Bodenwertsteigerung (Anfangswert/Endwert)

Der städtebauliche Vertrag zwischen Stadt und Grundstückseigentümer wird spätestens vor dem  (Bebauungsplan-)Auslegungsbeschluss i.S.v. § 3 Abs. 2 BauGB abgeschlossen, wobei der Anfangswert des Grundstückes (= Bodenwert des geltenden Planrechts für das unbelastete Grundstück am Tag vor Beginn der Bauleitplanung) sowie dessen Endwert (= Wert des erschließungsbeitragsfreien Baulandes des neuen Planungsrechts) im Vertrag bestimmt wird. Der Endwert ist anzupassen, wenn und soweit sich Art und/oder Maß der baulichen Nutzung bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplanes bzw. der Bebauungsplanänderung ändert.

Die Bodenwertsteigerung ergibt sich aus der Differenz zwischen Anfangswert und Endwert.

4)  Lasten

Lasten, welche durch den geförderten Wohnungsbau entstehen, sind vom Planbegünstigten zu tragen und bei der Ermittlung der Wertsteigerung gegenzurechnen. Lasten sind insbesondere:

  • Differenz zur ortsüblichen Vergleichsmiete unter Berücksichtigung einer etwaigen Förderung mit öffentlichen Mitteln o.ä.; 
  • unentgeltliche Flächenabtretung bezügl. von im Bebauungsplan ausgewiesenen Flächen für Verkehrsanlagen, öffentliches Grün, für Immissionsschutzanlagen und für naturschutzrechtlichen Ausgleich u.ä. ;
  • Verfahrenskosten (städtebauliche Planung, Fachgutachten, Vermessung etc.);
  • Übernahme der anteiligen Kosten für gebietsbezogene Infrastrukturmaßnahmen (z.B. Kindergarten u.ä.);
  • vollständige Übernahme der entstehenden Erschließungsmaßnahmen und der naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen (externe und interne) incl. Pflegeaufwand;
  • Berücksichtigung von Altlasten und Abbruchskosten; sofern die bestehenden baulichen Anlagen für den Abbruch mit anschließender Neubebauung bestimmt sind, werden die Abbruchskosten nicht als Lasten anerkannt, da die Wertermittlung i.S. Anfangswert nach dem gültigen lastenfreien Baurecht erfolgt, in gleicher Weise gilt dies für Altlasten.

 

5)  Bauverpflichtung

Der Planungsbegünstigte ist dazu verpflichtet, innerhalb von 6 Monaten nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes bzw. der Bebauungsplanänderung die erforderlichen Bauantragsunterlagen einzureichen, nach Erteilung der Baugenehmigung unverzüglich mit der Erstellung der Mietwohnungen zu beginnen und diese spätestens 3 Jahre nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes bzw. der Bebauungsplanänderung bezugsfertig herzustellen.

Bei Vorliegen besonderer Umstände kann im Einzelfall von diesen Vorgaben mit Zustimmung des Gemeinderates abgewichen werden.

Sicherung dieser Verpflichtungen mittels Vereinbarung von Vertragstrafen und schuldrechtliche Weitergabe der Verpflichtungen gem. vorstehend Ziffer 2 letzter Absatz.

 

6)  Geltung

Die vorgenannten Regelungen finden keine Anwendung auf Grundstücke, welche bereits vor dem Beschluss des Gemeinderates vom 18.10.2016 über die Einführung eines Innentwicklungsmodells erworben worden sind und sich die Erwerber/Investoren nicht auf die daraus resultierenden Vorgaben/Verpflichtungen haben einstellen können (Vertrauensschutz). Die Anwendung des Innentwicklungsmodells erfolgt jedoch auch dann, wenn sich der Vorhabensträger/Planungsbegünstige - trotz Vertrauensschutzes - damit einverstanden erklärt.

 

7)  Änderungen und Ergänzungen dieser Richtlinien bleiben ausdrücklich vorbehalten.